Der Leinenruck
Es hat sich viel getan in Sachen Hundeerziehung, in den letzten Jahren. Hat man früher noch straf-basiert trainiert, geht das Hundetraining mittlerweile immer mehr in eine positive Richtung.
Es geht vielmehr darum, richtiges Verhalten zu formen, und nicht Unerwünschtes zu strafen.
Leider scheinen diese Erziehungs- und Lehrmethoden in Südtirol noch nicht überall angekommen zu sein.
Das Thema Leinenführigkeit ist dabei immer noch ein großes „Unding“- denn der Tipp bei uns zu Lande ist wohl noch sehr häufig der „kräftige Leinenruck“.
Deshalb heute mal einige Worte zum Leinenruck.
Was ist ein Leinenruck?
Als Leinenruck bezeichnet man, wenn der Hund als "Trainingsmaßnahme" zur Leinenführigkeit am Halsband nach hinten, oder oben gerissen wird. Hier bleibt der Halter also nicht stehen, kehrt um oder macht sonst etwas (wobei der Hund natürlich auch da erstmal kurz Zug auf das Halsband bekommt- keinesfalls aber mehr, als wenn er selbst zieht). Hier wird das Halsband, und die Schmerzen die ein rabiates Reißen daran Auslösen, gezielt als Strafe eingesetzt. Die Krönung der ganzen Sache, bilden Hundehalter die das auch noch an einem Stachel- oder Kettenhalsband machen!
Der Leinenruck und die Gesundheit
Es ist doch eigentlich paradox: Da tragen wir Welpen über Treppen, damit sich nicht eine eventuelle Krankheit an den Gelenken entwickelt, und zeitgleich reisen wir sie an einem ihrer sensibelsten Körperteile- der Halswirbelsäule- umher.
Schauen wir uns also erst die körperlichen Auswirkungen des Leinenrucks an:
Luftröhre, Kehlkopf und Schilddrüse befinden sich in diesem sensiblen Bereich des Halses, an dem da rum-gerissen wird.
All diese so wichtigen Organe können durch einen Leinenruck in Mitleidenschaft gezogen werden- und werden es auch garantiert wenn man über längere Zeit an der Leine reißt. Viele Tierärzte gehen mittlerweile sogar davon aus, dass sich viele Schilddrüsenprobleme auf eben genau diese Erziehungsmethode zurückführen lassen.
Genauso kann auch eine Quetschung des Kehlkopfs entstehen. Kehlkopfentzündungen sind auch immer wieder -und häufig - zu beobachten. Werden Luftröhre und Kehlkopf gequetscht, dann kann es außerdem zu einer Sauerstoffunterversorgung im Gehirn kommen.
Übrigens hat man an der School of Veterinary Medicine, University of Wisconsin-Madison (2006) bei einer Untersuchung an "Leinenziehern" mit Halsband festgestellt, dass der Augeninnendruck dabei nicht unerheblich ansteigt.
Und das war noch nicht einmal alles. Was häufig vergessen wird, sind die Schäden, die ein Hund durch solche Erziehungsmethoden an der Wirbelsäule erleiden kann. Die Bandscheiben sind hier das große Stichwort. Wer schon einmal Probleme mit den Bandscheiben hatte, der weiß welche Schmerzen das sind! Genauso wie wir Menschen, können auch Hunde an einem Bandscheibenvorfall leiden. Bei einem starken Ruck an der Leine / Halsband können Bandscheibenverschiebungen auftreten.
Das alles können Folgen des Trainings mittels Leinenruck sein. Und diese Folgen, sind noch nicht einmal alle. Denn es sind nur die Körperlichen Folgen. Auch psychisch kann der Leinenruck den Hund belasten.
Aber vor allem: Er lernt dabei weder an der lockeren Leine zu laufen, noch irgendetwas Positives.
Dafür lernen aber wir Menschen: Wir schaffen es mit einem Leinenruck ein unerwünschtes Verhalten kurz zu unterbrechen, und fühlen uns gut dabei. Ergo werden wir dieses Verhalten wiederholen. Solange bis wir uns selbst beigebracht haben „Leinenruck= kurzzeitig gutes Gefühl für uns“. Früher oder später führt das dazu, dass wir selbst eine klassische Konditionierung erleben.
Was lernt der Hund dabei?
Beim Hund kann es zu einer Reihe von sogenannten Fehlverknüpfungen kommen.
Nehmen wir an, Ihnen kommt eine Familie mit Hund entgegen und Ihr Hund zieht wie verrückt an der Leine. Mittels Leinenruck wollen Sie Ihn korrigieren. Der Hund empfindet also in diesem Moment Schmerzen. Diese Schmerzen Verknüpft der Hund nun mit dem, was er gerade sieht. Also mit dem entgegenkommenden Hund, mit den Leuten und vielleicht sogar mit den Kindern. Was dabei entstehen kann ist ein Problem das viele Hundehalter nur zu gut kennen: Die Leinenaggression.
Der Hund lernt nämlich: „Entgegenkommende Menschen und Hunde= Schmerzen“- und wird künftig entweder ängstlich oder gar aggressiv reagieren.
Besonders verheerend ist es natürlich dann, wenn der Hund schon Leinenaggressiv ist, und man wendet solche Strafaktionen als Korrektur an.
Im vielen Studien hat man mittlerweile festgestellt, dass Hunde welche an der Leine aggressiv reagieren, durch Strafe dieses Verhalten sogar noch steigern.
Das Zufügen eines Schmerzreizes führt nämlich zur Erhöhung des Stresslevels, womit aggressives Verhalten wahrscheinlicher wird.
Leinenführigkeit dank Leinenruck?
Durch den Leinenruck wird wohl kaum ein Hund das lockere an der Leine gehen lernen, denn meist bringt der Hund das Rucken nicht mit seinem Ziehen in Verbindung.
Er bringt es allerdings sehr wohl mit dem Hundehalter und auch der Leine- sowie eben auch mit anderen Umweltgegebenheiten in Verbindung.
Wenn Sie Pech haben, will der Hund dann erst recht von Ihnen weg, und zieht umso mehr- weil Sie ja das Übel am anderen Ende der Leine sind, und Ihm dauernd Schmerzen zuführen.
Außerdem: Nur weil ein Hund weiß was er nicht machen darf, weiß er noch lange nicht, was wir uns von Ihm wünschen. Er kann ja nicht unsere Gedanken lesen. Und nur weil es für uns logisch erscheint, dass ein Hund nicht an der Leine ziehen soll, ist das dem Hund noch lange nicht klar.
Um den Hund also zu einer lockeren Leine zu erziehen, sollten wir Ihm besser zeigen wie es richtig geht!
Anstatt Ihn dauernd zu bestrafen, ihm Schmerzen und womöglich noch irreparable Schäden zuzufügen, sollten wir den Hund belohnen wenn er´s richtig macht.
Denn wir wissen ja: Verhalten welches sich Lohnt wird öfter gezeigt.