Das steckt wirklich dahinter!
Als Hundehalter wissen wir schon lange: Die Bindung zwischen Hunden und Menschen gleich einer Art Eltern-Kind-Beziehung.
Mittlerweile ist das auch wissenschaftlich nachgewiesen! Hunde sind Sozialpartner und lange schon, abseits von Ihren ursprünglichen Aufgaben als Jagdhelfer und co., Mitglieder in unserem Sozialverbund- also unseren Familien.
Aber auch wenn die Art des Zusammenlebens zwischen Mensch und Hund mittlerweile eine andere ist als noch vor 50 Jahren, prägt sie immer noch ein Begriff: Dominanz.
Ein Thema welches nur allzu oft falsch verstanden und beurteilt wird, und ein Thema welches immer wieder zu aversiven Handlungen und Erziehungsmethoden führt.
Deswegen wollen wir das Thema einmal aufgreifen, und euch erklären was es denn mit dieser vermeintlich „bösen“ Dominanz auf sich hat.
Dazu werfen wir aber erstmal einen Blick ins Geschichtsbuch 😊
Über längst überholte Studien und Ihre Bedeutung in der Hundeerziehung
Er war einmal, vor eigentich gar nicht so langer Zeit, ein Forscher: Erik Zimen (* 12. Mai 1941 in Berlin;† 19. Mai 2003 in Niederbayern).
Er war ein schwedischer Verhaltensforscher, der insbesondere über die Haustierwerdung, und die Verhaltensgenetik von Wölfen und Hunden forschte. Er galt als der bedeutendste Wolfsexperte und als einer der kenntnisreichsten Kynologen. Eine seiner Studien, hat sich bis heute in den Köpfen gehalten.
In den 1970iger Jahren wurden Hunde und Wölfe in Gehegen gehalten, um Ihr Verhalten untereinander zu studieren. Dabei konnten zwar spannende Beobachtungen gemacht werden, allerdings fiel auch eine große Bereitschaft zur Aggression auf.
Es wurde um Nahrung gestritten, die Rangordnung immer wieder neu ausgefochten und eine strikte Hierarchie von oben nach unten aufrechterhalten. Bei den Gehege Wölfen gab es also eine sogenannte LINEARE Hierarchie. Einer Dominierte alle; Der Alpha Wolf.
Diese Rangordnung wurde lange Zeit, aufgrund der oben genannte Forschungen auch bei Hunden angenommen. Daher kommen vielen der früher gültigen Leitsätze wie „Die Kinder müssen in der Rangordnung über dem Hund stehen“ oder „Du musst dem Hund zeigen, dass du der Herr bist“ etc.
Was ging schief?
Mittelweile wissen wir (auch durch neue Forschungen, welche aber nicht so blutrünstig und daher weniger Aufsehenerregend waren), dass es im Normalfall weder bei Hunden noch bei Wölfen auf diese Art und Weise zugeht.
Durch langzeit Freilandstudien, in denen freilebende Hunde und Wölfe untersucht wurden, hat man herausgefunden, dass es in den Gruppen kaum Konflikte gibt. Warum auch? Meist sind es Familienverbände, in denen vor allem das Überleben des Nachwuchses im Vordergrund steht.
Wer es nicht schafft sich unterzuordnen, wandert eben ab- wenn kein Zaun im Wege steht.
In den letzten Jahrzehnten, wurde die Beziehung in Rudeln von Wölfen und Hunden neu definiert- und damit auch der Begriff der Dominanz. Bei Beobachtungen von Wilden Haushunden und Wölfen im Freiland, gab es nämlich keine blutrünstigen Beißereien und auch Fraß das Alpha- Tier nicht immer als erster. Es bestand ein Miteinander, wo jeder von jedem im Rudel profitiert.
Nach diesen neune Studien, gab es einige Änderungen in den Fachbüchern, denn man hatte nun gesehen, dass die Sozialstrukturen von Hunden und Wölfen eben nicht mit einer einfachen Hackordnung wie bei Hühnern zu erklären war.
Wie schaut nun aber die Rangordnung aus?
Wölfe und Hunde haben innerhalb Ihres Rudels eine Rangordnung welche einer DIADISCHEN Beziehung entspricht. Das Heißt, dass die Tiere eine ganz individuelle Beziehung zueinander eingehen. So kann A über B Dominieren, und C dennoch über A.
Es gibt also immer eine Beziehung zwischen zwei Individuen, in der es zwar bei Wölfen ein Alpha Pärchen gibt, welches aber seinen Status nicht gnadenlos ausnutzt, sondern im Normalfalle zum Wohl des gesammeten rudels handelt.
Auch sind es nicht die aggressivsten Tiere, welche einen hohen Rang einnehmen, vielmehr sind es jene Tiere, die wenige Auseinandersetzungen beginnen. Der Alpha hat es schlichtweg nicht nötig, seinen Rang dauernd durch aggressive Verhaltensweisen einzufordern. Vielmehr ist es seine Akzeptanz als Anführer in der Gruppe, seine Erfahrung, Souveränität und Weitsicht, die Ihn zum „Rudelchef“ machen.
Was ist nun aber Dominanz?
Die für uns Hundetrainer wohl wichtigste Beschreibung von Dominanz prägte Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen (Uni Kiel/ Verhaltensforscherin):
"Dominanz bedeutet, dass in einer dyadischen Beziehung A regelmäßig die Freiheit von B einschränkt bzw. sich selbst ein hohes Maß an Freiheit zugesteht, ohne dass B effektiv etwas dagegen tut, sondern B akzeptiert die Einschränkung."
Und, so Feddersen Petersen weiter:
„Dominanz bezeichnet also eine Regelhaftigkeit in einer dyadischen Beziehung. Sie ist dann gegeben, wenn A bestimmte Verhaltensweisen gegenüber B häufiger zeigt, als zufällig zu erwarten wäre.
Dabei handelt es sich um Verhaltensweisen, die die Verhaltensmöglichkeiten, insbesondere die Bewegungsfreiheit, von B einschränken.
A reagiert dabei auf das Verhalten von B, ohne durch dessen Verhalten eingeschränkt zu werden. B duldet die Einschränkung ohne deutliche oder effektive Gegenwehr. Tatsächlich ist Dominanz wesentlich vom Verhalten B's abhängig, da dessen Reaktion die Effektivität der Verhaltensweisen von A bestimmt…“
Hieraus lesen wir ab, Dominanz ist kein Wesensmerkmal, sondern immer eine Beziehung zweier Individuen zueinander.
Ein Hund kann also gar nicht per sé dominant sein, es kommt immer darauf an wer sich in welchem Moment des Zusammenlebens oder situationsbedingt dominieren lässt.
Würde nämlich der Unterwürfige nicht unterwürfig, sondern mit Gegenwehr reagieren, wäre der Dominate auch nicht mehr Dominant.
Für alle Verhaltensweisen, welche ein Dominates Tier also gegen ein anderes Tier zeigt gilt: Der Unterwürfige Part zeigt keine oder kaum Gegenwehr.
Aber was, wenn…
Viele von uns hatten vielleicht schon einmal das „Vergnügen“, dass uns unser Hund angeknurrt hat. Sei es, wenn wir Ihm Schmerzen zugefügt haben (zB bei Behandlung einer Wunde) oder wenn wir Ihm etwas wegnehmen wollten.
Ist das jetzt aber schon Dominanz?
Natürlich! Haben wir darauf reagiert, indem wir unsere Hand weggenommen haben, hat der Hund uns in diesem Falle dominiert, denn er konnte Seine Interessen gegen uns durchsetzen. Allerdings wird dies bei den Meisten von uns keine bleibenden Schäden in der Beziehung zum Hund hinterlassen haben. Der Hund hat danach wahrscheinlich nicht versucht „die Weltherrschaft“ an sich zu reisen.
Hierbei handelt es sich um eine SITUATIVE DOMINANZ. Davon spricht man, wenn Dominanzverhalten Ausdruck einer momentanen Befindlichkeit oder eines Bedürfnisses ist.
Dahingegen gibt es auch eine FORMALE DOMINANZ, diese beschreibt eine relativ stabile Langzeitrangordnung. Es ist also gerade in dem oben genannten Grund meist gar nicht so schlimm- vorausgesetzt natürlich, dass man ansonsten eine Stabile Beziehung zum Hund hat!
Was bringt uns dieses Wissen im Alltag?
Vor allem bringt uns das Wissen darum, was Dominanz ist eines: Das Wissen, das bestimmte Dinge nutzlos sind (Stichwort Alpharolle), das Wissen darum, dass nicht alles so schlimm ist wie es im Internet dargestellt wird (zB, wenn der Hund das Kissen rammelt- denn das hat mal so gar nix mit Dominanz zu tun), und das Wissen darum, dass unser Hund sicher nicht schon als Welpe mit dem Gedanken geboren ist morgen die Weltherrschaft an sich zu reisen.
Erfahrung, Souveränität und Weitsicht ist das was du wirklich brauchst, um ein guter „Rudel-führer“ zu sein! Strahle Sicherheit aus, gerade in Situationen in denen sich Dein Hund schwertut. Lass nicht alles durchgehen, sondern stelle Regeln auf, die dann auch einzuhalten sind (zB es wird nicht zu fremden Menschen gerannt).
Spiel und unternimm was mit Deinem Hund! Jede gemeinsame Aktivität stärkt Eure Bindung. Lass den Hund im Haus schlafen, nicht im Zwinger! Ein Sozialverbund isst zusammen, geht zusammen auf „Streife“ und schläft auch am gleichen Ort!
Und das Wichtigste: Löse die Probleme Deines Hundes! Wenn Dein Hund Angst vor Artgenossen hat, stelle dich vor ihn und „beschütze“ Ihn. Lass nicht zu, dass andere Hunde einfach in Ihn hineinrennen. Wenn Dein Hund Angst hat vor Mülltonnen oder Autos, zeig Ihm, dass es nicht schlimm ist, indem du es selbst erkundest… Sei Souverän, und zeige ihm, dass du es „im Griff“ hast, dann wird Dein Hund sich gerne unterordnen, weil er merkt, dass er bei Dir immer sicher ist.
…und: Gönn ihm mal was! Wenn er gerne spielen mag, wenn er mal beim essen „lottert“ …ein guter Chef ist auch mal großzügig 😊
Probleme mit der Rangordnung
Im Hundehaushalt ist es gerade bei Junghunden so, dass sie eine gewisse Expansionstendenz zeigen. Sie versuchen also, durch die neu gewonnen Fähigkeiten und Stärke, eine für sich bessere Situation herauszuschlagen. Auch wenn innerhalb der Menschlichen Familie nicht geklärt ist, wer eigentlich „das Sagen“ hat, wissen Hunde dies recht gut für sich auszunutzen.
Manche Hunde nutzen auch körperliche oder psychische Schwächen der „Ranghohen“ gnadenlos für Ihren eigenen Vorteil aus.
So kann es zB. vorkommen, dass Hunde bei einer Verletzung des Herrchens, welche Ihn/ Sie körperlich einschränkt, Kommandos nicht mehr befolgen wollen oder aber Grenzen stark austesten.
Wenn du solche Probleme bemerkst, dann wende Dich bitte an einen kompetenten Hundetrainer, denn leider ist es hier nicht mit einigen aufgeschriebenen Tipps oder Ratschlägen aus dem Internet getan. Ein Trainer schaut sich Eure Situation genau an, bewertet und analysiert, und hilft dir nach einer entsprechenden Anamnese weiter. Und vielleicht ist das Problem auch nur halb so schlimm.